Ausbildung in Teilzeit: Interview mit C. Ünder

Wie kam es dazu, dass Sie eine Ausbildung zur Maßschneiderin gemacht haben?
Ich bin vor 16 Jahren nach Berlin gezogen. Vorher lebte ich in der Türkei. Ich habe in der Türkei eine Ausbildung als Erzieherin gemacht. Nach meiner Hochzeit bin ich zu meinem Mann nach Berlin gezogen. Das war ein großer Schritt für mich. Ich habe Deutschkurse besucht, um mich weiterzubilden. Dann habe ich mein erstes Kind bekommen und machte danach meinen Führerschein.
Mit 29 Jahren hatte ich drei Kinder. Da habe ich durch eine gute Freundin von der Möglichkeit erfahren, eine Ausbildung als Damenmaßschneiderin in Teilzeit machen zu können. In der Türkei arbeitete meine Mutter auch als Schneiderin. Von ihr lernte ich Vieles, was zu dieser Ausbildung sehr gut passte. Ich habe mich dann beim Ausbildungs- und Kulturcentrum e.V. und beim Jobcenter informiert und erfahren, dass zur Vorbereitung auf die Ausbildung in T eilzeit, es erforderlich ist, an der Aktivierungshilfe „Vollzeitmutter sucht Teilzeitausbildung“ teilzunehmen. Im März 2015 habe ich dann bei LIFE e.V. begonnen.


Worin lag die Unterstützung der Aktivierungshilfe für Sie?
Für mich war es einfach gut, die Möglichkeit zu bekommen, sich mit verschiedenen Berufen beschäftigen zu können. Es gab Erkundungstage in den Berufen Tischlerin/Bootsbauerin, Maßschneiderin/Goldschmiedin, Kauffrau für Büromanagement oder Kauffrau im Einzelhandel. Außerdem haben wir bei einem Berufe-Parcours an verschiedenen Stationen uns ausprobieren können in den Bereichen Handwerk/Technik, Administration/Verwaltung sowie Pflege/Medizin. Ich habe dann recht schnell gemerkt, dass mir das Schneidern viel Spaß macht.


Wie hilfreich war es für Sie, an einem Angebot speziell für Mütter teilzunehmen?
Ich fand es sehr hilfreich für mich, mich mit anderen Müttern austauschen zu können, auch über persönliche und private Probleme, z.B. über Probleme mit den Kindern. Und dann waren auch die Anwesenheitszeiten bei der Aktivierungshilfe und bei der Ausbildung so, dass ich sie gut mit meinen Familienaufgaben vereinbaren konnte.
Was war das Besondere an der Aktivierungshilfe für Sie?
Für mich war es super, mich ausprobieren zu können, andere Berufe kennenzulernen und mich dann bewusst für einen Beruf entscheiden zu können. Im Laufe der Aktivierungshilfe wurde meine Entscheidung immer klarer. Und dann war es sehr hilfreich für mich, dass wir während der Aktivierungshilfe Deutsch- und Matheunterricht hatten zur Vorbereitung auf die Berufsschule. Und auch während der Ausbildung hatten wir noch Förderunterricht. Das hat mir so sehr geholfen.


Was war Ihr persönliches Highlight bei der Aktivierungshilfe?
Neues über mich zu erfahren, meine Stärken kennenzulernen, eine bewusste Entscheidung treffen zu können, Unterstützung zu bekommen, wenn ich sie brauchte.


Wie war es für Sie, die Ausbildung beim Ausbildungs- und Kulturcentrum zu machen?
Es war nicht immer leicht. Am Anfang und auch zwischendurch hatte ich manchmal Angst, ob ich das schaffe. Aber ich bin drangeblieben. Besonders die Berufsschule war schwer für mich. Aber es gab immer jemanden, der mir geholfen hat und ein offenes Ohr für mich hatte: die Meisterin, die Förderlehrerin, die Sozialpädagogin, die Kolleginnen ... Und wenn ich in der Werkstatt sein konnte, dann war ich immer einfach nur glücklich. Ich habe mir dann auch vorgenommen, Schritt für Schritt zu gehen und mir nicht so viele Gedanken zu machen, schaffe ich das denn auch.


Was hat sich für Sie durch die Ausbildung verändert?
Wenn ich zurückblicke, dann merke ich, ich bin viel selbstbewusster geworden und traue mir viel mehr zu. Zu Ämtern z.B. gehe ich heute alleine oder kläre Probleme in der Schule meiner Kinder selbständig. Und ich habe so viel gelernt. Auch in der Berufsschule bei Gruppenarbeit haben wir uns immer gegenseitig unterstützt. Wenn man mir vor 17 Jahren gesagt hätte, wie ich heute bin, ich hätte es nicht geglaubt.
Im Februar habe ich dann meine praktische Prüfung zur Gesellin bestanden. Jetzt bin ich also fertig ausgebildete Damenmaßschneiderin. Und habe auch einen Job, nämlich dort, wo ich während der Ausbildung ein zweimonatiges Praktikum gemacht habe. Ich arbeite in Teilzeit in einem Modeatelier für Film- und Theaterkostüme und nähe gerade eine Herrenweste. Wenn die Kinder größer sind, werde ich meine Wochenstunden aufstocken. Eine überbetriebliche Ausbildung in Teilzeit zu machen, war die beste Entscheidung in meinem Leben. Heute bin ich überzeugt davon, ich kann eine Lösung für jedes Problem finden.

 


Das Interview mit C. Ünder wurde geführt von Margot Hübner-Umbach, Mitarbeiterin im Projekt „Vollzeitmutter sucht Teilzeitausbildung“, bei Life e.V., Rheinstr. 45, 12161 Berlin (Nähe Walter-Schreiber-Platz), Tel. 030 308 798 11, aktivierung@life-online.de, www.life-online.de.
Das Ausbildungs- und Kulturcentrum e.V. – die Ausbildungsmanufaktur – befindet sich in der Lauterstr. 12/13, 12159 Berlin-Friedenau, Tel. 030 85 99 60 - 00, info@akc-berlin.de, www.akc-berlin.de.
Wenn sie Mutter sind und Interesse haben an einer Ausbildung in Teilzeit, dann rufen sie einfach an unter 030 308 798 11 und vereinbaren ein erstes Infogespräch.

 

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